Time is Money?

Das große Missverständnis vom Zeitsparen.

Bei meiner Recherche zum Thema „Zeit“ bin ich auf interessante Erkenntnisse gestoßen. Ich meine nicht die verschiedenen Dimensionen von Zeit; dazu komme ich an anderer Stelle zurück. Nein, ich meine die vielen Missverständnisse im Gebrauch des Begriffes „Zeit“. Viele meinen offenbar etwas anderes, wenn sie von „Zeit“ sprechen, nämlich die Ressource „Geld“. Auch wenn unser Sprachgebrauch zu diesem Irrglauben verleitet – Zeit können wir nicht investieren, sparen oder gewinnen.

Zwischen Beginn der Neuzeit und der Epoche der Industrialisierung drehte sich das Denken und Handeln in Bezug auf Zeit quasi um 180 Grad: Wurden Zinsen und Fortschritt bis dahin von der Kirche zur Sünde erklärt, hieß die Untugend der Moderne plötzlich „Zeitverschwendung“, und Zeit wurde zur anerkannten Handelsware, auch in Form von Zinsen. Mit dem Kapitalismus wurde Zeit zum knappen Gut erklärt, das man so intensiv wie möglich nutzen sollte. Es wurde erstrebenswert, Zeit zu sparen. (Vgl. hierzu u. a. Geißler, K. A. (2011). Alles hat seine Zeit, nur ich hab keine: Wege in eine neue Zeitkultur. München: Oekom.)

 

Das war auch ein wichtiger Aspekt in der Epoche der Industrialisierung: „Remember that time is money“, wie Benjamin Fanklin 1748 in seiner Schrift „Ratschläge für junge Kaufleute“ mahnte. Neben dem Wettbewerb war es wohl dieses „Zeit-ist-Geld“-Denken, das den Erfindergeist weckte und den Fortschrittsmotor anheizte. Bahnbrechende Innovationen, wie etwa die Dampfmaschine, eröffneten zuvor undenkbare Möglichkeiten, die wiederum das Begehren nach noch mehr Tempo aufflammen ließen und eine enorme Fortschrittsdynamik auslösten. In allen Lebensbereichen fand eine Beschleunigung statt.


Und so werden wir auch heute noch – oder umso mehr – vom Gedanken getrieben, Dinge schneller zu machen. Nicht selten vergessen wir den Blick für die Frage, ob auch die Betroffenen den „Zeitgewinn“ oder die Beschleunigung überhaupt für ein erstrebenswertes Ziel halten – oder ob es vielleicht sogar kontraproduktiv ist. So erging es vielen Entwicklungshelfern, die mit ihrem Fortschritts- und Zeitdenken nach Afrika gekommen sind. Und erstaunlicherweise lassen sich Parallelen zum Elektronischen Zeitalter nicht verleugnen. Zum Thema „E-Mail“ werde ich noch oft genug kommen, ich wollte hier nur schon mal folgende Aussage platzieren:

Das Ziel Zeitsparen ist nicht gesetzt. Für manche Dinge ist es sogar besser, sich Zeit zu nehmen. Für mehr Qualität in der Kommunikation und im Miteinander.

 

„Die Europäer haben Uhren, wir haben Zeit.“ (Afrikanische Weisheit)